Wie teuer wird die Elbphilharmonie? Was verdient der Chef der städtischen Wasserwerke? Welcher Baum steht vor meiner Haustür und wie alt ist er? Bis vor wenigen Monaten mussten Bürger, die solche Fragen hatten, noch einen Antrag an die Stadt Hamburg stellen und sich darin auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen, um eine Antwort zu bekommen – ein langwieriger Prozess.

Heute geht alles schneller. Wenige Klicks auf dem neuen Hamburgischen Transparenzportal und das gesuchte Dokument erscheint auf dem Bildschirm. Seit September 2014 können Bürger quasi in die Aktenschränke der Verwaltung schauen. Mehr als 10.000 Dokumente und Datensätze stehen in einem Informationsregister frei zugänglich im Internet, darunter staatliche Gutachten, die Empfänger von Subventionen, Baugenehmigungen – und fast alle Verträge, die die Stadt Hamburg mit Unternehmen schließt.

Eine Frau schaut sich auf einem PC das Hamburger Transparenzportal an.

So funktioniert die neue Transparenz: Suchbegriff eingeben, Enter drücken und Dokument herunterladen

Massiver Kulturwandel

Möglich macht diese Form der Öffentlichkeit das Hamburgische Transparenzgesetz, das 2012 in Kraft getreten ist. Darin verpflichtet sich die Stadt, alle Dokumente der Verwaltung und der städtischen Unternehmen, die im Gesetz festgeschrieben sind, kostenfrei und unverzüglich ins Netz zu stellen und auch dann neue Inhalte in das Transparenzportal einzuspeisen, wenn niemand nach diesen Unterlagen fragt.

„Der Kulturwandel ist massiv“, sagt André Basten von der Finanzbehörde der Stadt, der das Projektteam für die Umsetzung des Transparenzgesetzes geleitet hat. Durch die Veröffentlichung wird das Handeln der Behörden überprüfbar. Verträge, die den Steuerzahler Millionen kosten, wie beispielsweise bei der Elbphilharmonie geschehen, müssen sich der öffentlichen Kontrolle und Kritik aussetzen.

Mit Transparenz Fehlkalkulationen vermeiden

Die neue Transparenz hat auch Folgen für die Mitarbeiter der Verwaltung. Zunächst einmal kostet das neue Gesetz die Behörden Zeit. Jedes Amt ist selbst dafür verantwortlich, die im Gesetz festgeschriebenen Dokumente ins Transparenzportal hochzuladen.

Ein Stift liegt auf Akten der Hamburgischen Verwaltung

Akten, die vorher nur auf Antrag herausgegeben wurden, stehen jetzt frei zugänglich im Transparenzportal

Pro Akte dauert dieser Vorgang zwischen fünf und fünfzehn Minuten – oft auch länger, wenn sensible, personenbezogene Daten anonymisiert werden müssen. Tatsächlich werden nicht alle Dokumente im Original ins Transparenzportal übertragen. Manche Informationen werden geschwärzt, weil sie Betriebsgeheimnisse oder private Daten enthalten. Welche Inhalte das sind, entscheidet der jeweilige Mitarbeiter, der mit der Materie vertraut ist. Die Rahmenbedingungen gibt das Transparenzgesetz vor. „Uns geht es um den gläsernen Staat, nicht um den gläsernen Bürger“, sagt Basten.

Neben Zeit und Arbeit kostet die neue Offenheit auch Geld: 5,2 Millionen Euro allein für die Einrichtung des Transparenzportals — ein erster Schritt auf dem Weg zur offenen Verwaltung.

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Quelle: Hamburger Senat

Eine halbe Millionen Euro kosteten die Schulungen der städtischen Mitarbeiter. In dutzenden Treffen wurden an die tausend Beamte und Angestellte der Stadt mit den gesetzlichen und technischen Rahmenbedingungen des Transparenzgesetzes vertraut gemacht. André Basten räumt ein: Das behördliche Neuland wollte kaum ein Mitarbeiter gleich betreten.

Transparenz nur durch Druck

Aus dem Inneren der Verwaltung kommt das plötzliche Streben nach Transparenz also nicht, im Gegenteil. Dass Hamburg sich mit dem Transparenzportal als Vorreiter in Sachen offener Verwaltung in Deutschland präsentiert, ist dem Druck der Bürger zu verdanken. Mehrere Verbände hatten sich in der Volksinitiative „Transparenz schafft Vertrauen“ zusammengeschlossen, weil sie vermurkste Bauvorhaben wie die Elbphilharmonie satt hatten.

Einer der sich seit Jahren für mehr Transparenz in der Hansestadt einsetzt, ist Michael Hirdes vom Chaos Computer Club Hamburg. Der Aktivist ist mit der technischen Umsetzung des Hamburgischen Transparenzgesetzes zufrieden, warnt aber davor, sich auf dem ersten Erfolg auszuruhen. „Transparenz muss man leben. Man kann sie nicht auf dem Papier befehlen“, sagt er. Deshalb sei es wichtig, dass die Mitarbeiter auch weiterhin motiviert bleiben, auch wenn die Schulungen vorbei sind.

Offene Daten für eine bessere Demokratie

Projektleiter André Basten steht vor einem Werbeplakat der Stadt Hamburg mit der Aufschrift "Hamburg öffnet die Aktenschränke".

Nach zwei Jahren Vorbereitung feiert die Transparenz Premiere in Hamburg – mit Regisseur André Basten

Für Hirdes ist klar: „Wenn auch nur ein Journalist durch die Dokumente einen Missstand aufdecken kann, hat sich die Mühe bereits gelohnt.“ Doch auch ohne Skandal bietet das Transparenzportal Vorteile: Journalisten können ihren Geschichten mit den öffentlichen Daten eine völlig neue Tiefe geben. Engagierten Bürgern wird der Zugang zu Informationen erleichtert, und auch wer das Portal selbst nicht aktiv nutzt, hat Vorteile davon, wenn andere dies tun. Selbst die Verwaltung profitiert, weil sich die interne Kommunikation innerhalb der verschiedenen Behörden verbessert. „Anstatt Dokumente beim anderen Amt anzufragen und darauf zu warten, dass jemand sie einem zuschickt, holt man sich die Informationen einfach selbst aus dem Transparenzportal“, sagt Projektleiter Basten.

Die Bürger scheint das Portal zu interessieren: Seit der Freischaltung verbuchte es über fünf Millionen Seitenaufrufe. Einer der häufigsten Suchbegriffe im Februar 2015 lautete „Olympia“ – das erste Millionenprojekt, das die Hansestadt mit offenen Aktenschränken in Angriff nehmen wird.