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Dauerbaustelle

Arbeiten und Kinder großziehen – der Spagat kostet Eltern viel Kraft. Möglich ist er nur, wenn der Nachwuchs auch außerhalb der Familie betreut werden kann. Viele Eltern bauen auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung. Rund 3,4 Millionen Kinder werden in Krippe, Kindergarten oder Hort betreut, Tendenz leicht steigend.

Die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist in den vergangenen Jahren zu einem politischen Zankapfel geworden: Mit einer Reform der Elternzeit, des Elterngelds und einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung soll die Vereinbarkeit in Deutschland verbessert werden. Derzeit gehen 30 Prozent aller Kinder im betreuungsfähigen Alter von 0 bis unter 14 Jahren in Tageseinrichtungen.

In den alten Bundesländern werden Kinder allerdings seltener außerhalb der Familie betreut. Im Gegensatz zu Städten wie Potsdam, Dresden oder Frankfurt (Oder), wo etwa 70 Prozent der Kinder zwischen 0 und bis 14 Jahren in Krippe, Kita oder Hort gehen, sind es in Bonn oder Köln weniger als 30 Prozent. Diese Größe wird „Betreuungsquote“ genannt, sie gibt den Anteil der betreuten Kinder an einer Altersgruppe an.

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Die Karte zeigt, dass der Anteil der Kinder, die außerhalb der Familie betreut werden, stark variiert. Es ist ein deutliches Ost-West-Gefälle erkennbar. Das bedeutet allerdings nicht, dass in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen besonders viele Plätze frei wären. Vielmehr stoßen Betreuungseinrichtungen überall an ihre Grenzen.

Seit dem 1. August 2013 haben Eltern für ihre Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz oder die Betreuung durch eine Tagesmutter. Würden dieser Anspruch mehr wahrgenommen werden, würde sich die Situation drastisch verschärfen. Fragt man Eltern, gleicht die Suche nach einem Krippen- oder Kita-Platz schon jetzt einer Odyssee. Eröffnet ein neuer Kindergarten in einer Großstadt, stehen auch mal über 400 Eltern an, um einen Platz zu ergattern.

Erst 2016 hatten drei Leipziger Mütter vor dem Bundesgerichtshof das grundsätzliche Recht auf Verdienstausfall erstritten, wenn die Kommune keine Kitaplätze anbietet und den Eltern dadurch Gehaltseinbußen entstehen. Um Klagen wie der in Leipzig zu entgehen, gibt es für die Kommunen nur eine Lösung: Mehr Tageseinrichtungen bauen, Platz schaffen.

Hinter der Recherche: Die Daten stammen aus der Regionalstatistik der Regionaldatenbank Deutschland (Plätze, Kinder in Betreuung, Zensus). Auch Daten des Statistischen Bundesamts haben wir im Arbeitsprozess verwendet, diese sind aber nicht Teil des Artikels. Die nach Landkreisen sortierten Daten der betreuten Kinder (nach Altersgruppen) und der Kinder insgesamt wurden in Excel mit S-Verweis zusammengeführt und sortiert. Danach wurden die Daten in Carto (Shapefile!) visualisiert.

Neben der Karte oben hatten wir auch berechnet, wie viele Plätze in den einzelnen Landkreisen frei sind oder fehlen und wie viele Kinder auf einen vorhandenen Platz kommen. Dazu bräuchte man die Daten zu vorhandenen Plätzen aufgeschlüsselt nach Form der Tageseinrichtung (Krippe, Kindergarten, Hort). Diese konnten wir bis zum Ende des Seminars leider nicht bekommen. Betrachtet man die Gesamtzahl aller Betreuungsplätze, unabhängig von der Art der Einrichtung, scheinen in manchen Landkreisen mehrere hundert, in Hamburg sogar einige tausend Betreuungsplätze frei zu sein. Das erscheint wenig plausibel. Um das zu verstehen, müsste man nun bei Statistikämtern detailliertere Daten anfragen. Und mit Experten sprechen.

Betreuung mit Ost-West-Gefälle

Die deutsche Teilung ist noch da: Im Osten haben Erzieherinnen* im Durchschnitt deutlich mehr Kinder zu betreuen als im Westen. Kümmert sich eine Erzieherin in Stuttgart um vier Kinder, muss ihre Kollegin in Greifswald zehn Kinder in Schach halten.

10:1 statt 4:1

Klicken Sie auf Ihren Landkreis, um zu erfahren, wie die Betreuungsquote bei Ihnen vor Ort ausfällt.

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Quelle: Statistisches Bundesamt. https://docs.google.com/spreadsheets/d/1xgIf3nwGrvs-q50pFLccXdeLfBIR85GPDXfzgqsJjys/edit?usp=sharing

Dass ostdeutsche Erzieherinnen so viel mehr zu tun haben, liegt nicht daran, dass hier mehr Kinder geboren werden. Sondern daran, dass hier mehr Kinder außerhalb der Familie betreut werden. Bundesweit hat jedes Kind ab seinem ersten Geburtstag bis zur Einschulung Anspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung oder Tagespflege. Eltern, die trotzdem keinen Platz für ihren Nachwuchs finden, können vor Gericht klagen.

Verbessert hat sich die Situation überall – bloß in Sachsen nicht. Obwohl Erzieherinnen heute im Durchschnitt auf ein Kind weniger acht geben müssen, haben die Pädagoginnen in Sachsen weiter Stress und betreuen im Schnitt zehn Kinder.

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Dabei wird die Zahl an Kindern, um die sich eine Betreuerin höchstens kümmern darf, für jedes Bundesland festgelegt. Dass sich hier etwas ändern muss, hat auch die sächsische Landesregierung erkannt. Das Bundesland will 700 neue Vollzeitstellen schaffen.  

Wie gut Kinder betreut werden, hängt auch damit zusammen, wie viel die Menschen vor Ort im Geldbeutel haben. In Landkreisen mit höheren Einkommen werden weniger Kinder von einer Person betreut als in Landkreisen mit geringeren Einkommen. Diesen Zusammenhang legt zumindest unsere Berechnung nahe. 

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*In der weiblichen Form sind auch alle männlichen Erzieher mit gemeint.

Hinter der Geschichte: Für den hier zu erkennende Zusammenhang zwischen Geldbeutel und Betreuungsquote könnte sprechen, dass Menschen in Ostdeutschland durchschnittlich weniger verdienen, ihre Kinder aber häufiger außerhalb der Familie betreuen lassen. Das müsste jetzt untersucht werden.