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Aus der Schule in die Galerie

Arian Chyk ist zehn Jahre alt und Künstler. Seine Bilder verkauft er für bis zu 700 Euro. Durch die Pandemie kann er seine Kunst nur wenigen Menschen persönlich zeigen. Jetzt bereitet er sich auf eine Zeit ohne das Virus vor. Dabei sehen Experten Kinderkünstler kritisch.   

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Jesus, Yam und Father Stanley

Alt, weiß, atheistisch – das ist typisch Thüringen. Jung, Schwarz, katholisch – das ist Father Stanley. Der Priester aus Nigeria will diese zwei Welten vereinen.

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Yahyas Rast-Platz

Frankreich, Afrika, Spanien – und nun die fränkische Provinz. Yahya träumt von einem ruhigen Leben, dafür hat er immer wieder das Land gewechselt. Nun lebt er in Schweinfurt zufrieden, aber noch nicht glücklich.

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Schwimmkurs in der Badewanne

Seit November sind sämtliche Schwimmbäder geschlossen. Möglichkeiten, trotz der Pandemie Schwimmen zu lernen, gibt es derzeit nicht. Seen und Flüsse bergen für Nichtschwimmer große Gefahren, Schwimmkurse finden derzeit aber nicht statt. Um trotz der Pandemie einen Schwimmkurs anbieten zu können, hatte die Konstanzer Schwimmschulen-Leiterin Arlette Stockburger eine ausgefallene Idee. Reporter Jannik Höntsch hat sich auf Tauchgang begeben, um herauszufinden, ob das auch online funktioniert.

„Wir lieben Fußball, Bier und Karneval!“

Rauch und Schweiß mischen sich auf der Terrasse der Kneipe „Stadtwaldgarten“ mit den Parfüms der Gäste. Eine leicht süße Note und dann wieder eine eher herbere Mischung.

Die Kneipe liegt auf dem direkten Weg von der Straßenbahnstation „Köln, Müngersdorf“ hin zum Stadion des 1. FC Köln. Immer mehr Sonderbahnen kommen an und bringen in Schüben weitere Fans. Auch auf der Terrasse wird es enger. Die Dielen des Holzbodens sind kaum noch auszumachen. Schulter an Schulter reiben sich die roten Trikots, dicke Winterjacken und der feste, aber doch weiche Stoff der Schals aneinander. Um 13.00 Uhr beginnt das Spiel.

Gut zwei Stunden vorher trifft sich der 1. FC Fan-Club „Die Macht am Kölner Rhein“ in der Kneipe. Zwischen Fans mit roten 1. FC Köln Jacken und bestimmt schon 10 Jahre alten Trikots, sticht ein Mann hervor. Es ist Matthias Schlachtmeier, 48 Jahre und seit gut 17 Jahren Dauerkartenbesitzer. Schwarze Sonnenbrille, rot-weißes Stirnband und mit einer hellblauen Jeans-Kutte ausgestattet, die auf seinen Schultern liegt. Sie ist voll mit Aufnähern, Emblemen und dem Logo des Fan-Clubs.

Er steht mit breit aufgestellten Beinen an einem braunen Holztisch direkt neben der Theke. Eine Hand in der Hosentasche, in der anderen das kalte Bier. Links neben ihm steht Michael Vollmer, 54 Jahre und „bestimmt seit 24 Jahren Dauerkartenbesitzer“. Er ist rund einen halben Kopf kleiner als Matthias und fast nur in schwarz-rot gekleidet. Schwarze Jacke, roter Fan-Schal und eine Blue-Jeans, beide Hände sind tief in den Jackentaschen vergraben, die Schultern sind hochgezogen. Unter der schwarzen Jacke blitzt ein wenig Rot hervor. „Selbstgestaltet“ meint Frank. Selbstgemachte Schals, Jacken und T-Shirts, der Fan-Club liebt seinen Verein und „die Stadt“, wirft Michael ein. Der Dritte im Bunde: Frank Hartmann, „gefühlte 20, aber nun doch schon 46 Jahre“ und seit rund 25 Jahren Dauerkarteninhaber. Ein tiefes Lachen erklingt aus dem Mund, auf dem Sekunden später schon ein breites Grinsen zu sehen ist.

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Die kahlen Köpfe von Frank und Michael glänzen im Sonnenlicht und die fast frühlingshafte Wärme macht sich auch in den Gesichtern der drei Kölner Originale bemerkbar. Eine leichte Röte mischt sich mit der sonst hellen Haut und in den Bärten der beiden blitzt der ein oder andere Kölsch- und Cola-Tropfen auf. Schon kurz vor 12. In der Kneipe wird es voller und auch Matthias, Michael und Frank begrüßen immer mehr Freunde. „Der Fan-Club ist wie eine Familie“ sagt Frank. Sein Lächeln ist ansteckend, die Augen bekommen ein Schimmern und seine Schultern heben und senken sich beim Lachen. Es wird zusammen „in den Urlaub, ins Sauerland zum Schützenverein und natürlich zu eigentlich jedem Spiel gefahren“. Bei dem Wort „Schützenverein“ gehen Michaels Augenbrauen in die Höhe und mit einem schallenden Lachen fügt er hinzu:  „Da sind wir auch nur drin, weil wir besoffen waren.“.

 Dieses Jahr ist noch ein ganz besonderes Jahr für den Kölner Fanclub. Sie haben ihr 25-jähriges Jubiläum und so fahren sie auch mal „für eine Woche nach Belfast“. Mittlerweile wird die 1. FC Köln-Hymne in der Kneipe gespielt. Die Zigaretten und E-Zigaretten werden zur Seite gelegt, es wird sich umarmt und mit lauter Stimme mitgesungen: „Freud oder Leid, Zokunf un Verjangenheit“. Die festen aber doch bedachten Schritte folgen dem Takt der Hymne, wenn auch etwas verzögert. Der Boden klebt zu stark.  Bier, Cola und Eierpunsch machen es nicht gerade leicht. Eine kurze Pause, ein Schluck vom Bier, bei dem die Schaumkrone nur noch einem Schaumrand gleicht.

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„Wir lieben Fußball, Bier und Karneval“. Doch dass jeder deswegen gleich in den Fan-Club kommt, sei nicht so. Matthias spricht von andauernden Anfragen, welche sie jedoch immer ablehnen. Denn genau wie Michaels Tochter, muss „man in den Club reingeboren werden“. In Erinnerungen schwelgend und nur durch tiefe Lacher von Michael und Matthias unterbrochen verfliegt die Zeit wie im Flug.

Zwölf Minuten nach Zwölf, Michael gibt das Startkommando zum Losgehen. Das Spiel beginnt gleich. Es ist Fußballzeit und gut 50.000 spielbegeisterte Kölner und Kölnerinnen werden gleich in dem Stadion erwartet. Der Gegner ist Sandhausen, 16. in der Tabelle und doch wird jeder Platz besetzt sein. Das Rhein-Energie-Stadion ist ausverkauft. Mit einem verschmitzten Lächeln kommt von Michael noch der Hinweis: „wie eigentlich immer“. Mit dem Blick nach unten gerichtet und festen Schritten auf dem nicht mehr ganz matschigen Waldboden geht es zum Stadion. Festes Schuhwerk ist ein Muss. Die Gespräche gehen weiter. „Weißt du noch, damals…“. Der Fan-Club verbindet, gemeinsame Erinnerungen, Freunde und Familie. Doch es gibt auch Probleme. Michaels Blick wird nachdenklicher und eine tiefere Falte bildet sich zwischen seinen Augenbrauen: „Eine extrem reiselustige Fanbase macht es schwer, an Karten zu kommen.“ So gebe es alleine 700 Auswärts-Dauerkarten, wobei es manchmal nur 3.800 Karten insgesamt für das Spiel gibt. Zwei davon befinden sich jedoch „im Kreise des 1. FC Fan-Club“. Beim Ansprechen der zwei Auswärts-Dauerkarten verschwindet das Runzeln auf seiner Stirn und das immer gegenwärtige breite Grinsen kehrt auf Michaels Gesicht zurück.

Leichter Wind weht durch die Bäume, Fans auf Fahrrädern rasen neben Matthias, Frank und Michael her. Hier und da ertönen Klingeln. Die Sonne gibt immer noch alles. Die anfängliche Röte in den Gesichtern verfliegt jedoch, Jacken werden zugezogen und die Enge trifft einen erneut. Gedränge vor den Einlasskontrollen zum Stadion, ein kurzer Piepton ertönt beim Einstecken der goldenen Dauerkarte, „für besonders langjährige Mitglieder“ meint Michael lachend. Kleine Falten bilden sich jedes Mal beim Lachen um seine sehr hellgrünen Augen, und das passiert ziemlich oft. Knappe 10 Minuten, dann beginnt das Spiel gegen den Vorletzten in der zweiten Bundesliga, den SV Sandhausen. Reihe 7 – Plätze eingenommen. Michael, Frank und Matthias machen sich bereit. Matthias Hand liegt fest auf Michaels Schulter, die Knöchel treten schon fast  hervor. Die Glatze von Frank ist einer leuchtenden rot-weißen Köln-Mütze gewichen.

Die Blicke gehen in den Himmel und dann auf das Spielfeld, rauf – runter. Die Augen von Michael glänzen, einmal tief einatmen. Die Hymne. Live-Musik, Akkordeon, Gitarre. Das Trio beginnt, sich hin und her zu wiegen. „Iehrefeld, Raderthal, Nippes, Poll…“. Viva Colonia. Der Schiri greift seine Pfeife und ein schriller Ton ertönt. Das Spiel beginnt.

„Dat is Millimeterarbeit, wenn isch mich he dürchzirkel“

Es ist warm, es riecht nach Diesel und es ruckelt immer mal wieder. Die Rundfahrt beginnt am Dom. Willi Vogel federt auf seinem Stuhl von oben nach unten. Immer wieder muss er hupen und darauf hoffen, dass Passanten rechtzeitig Platz machen und ihm nicht vor die Bahn laufen. Plötzlich muss der 77- Jährige bremsen, ein Lieferwagen versperrt ihm die Strecke. 

Willi Vogel an seinem Arbeitsplatz in der Bimmelbahn.
Willi Vogel an seinem Arbeitsplatz in der Bimmelbahn.

Sechs Tage in der Woche fährt Willi mit der Bimmelbahn durch die Kölner Altstadt. „Sonntags, da habe ich frei, da mache ich gerne etwas mit meiner Familie.“ Früher ist Willi Vogel – „wie dat Vögelchen“ – , Reisebus gefahren, später dann in Köln im Linienverkehr und seit circa drei Jahren macht er Sightseeing-Touren mit der Bimmelbahn. Das Unternehmen besitzt sieben verschiedene Bahnen, die älteste ist die Emma. Mit der fährt Willi sehr gerne, da sie eine Rampe hat, mit der er dann auch Leute im Rollstuhl mitnehmen kann. Während Willi von seiner Vergangenheit erzählt, manövriert er immer wieder vorsichtig und bedacht durch die engen Gassen.

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Spaß kanns de he emmer han!“

Willi sitzt gerne in seiner Lok, vor allem wenn er eine Fahrpause am Dom hat, denn von dort aus kann er am besten die Leute beobachten kann. Immer wenn es geht, scherzt er mit überwiegend weiblichen Passanten und lacht sie herzlich an. Oder er grüßt sie einfach nur. Jeder Gastronom, Busfahrer oder Bimmelbahnfahrer kennt Willi. „Er ist eine Legende“, erzählt Jürgen Tetzlaff. Jürgen verkauft seit drei Jahren die Tickets für die Bimmelbahn.

„Dat es einfach zom totlachen witzig“, berichtet Willi, wenn Touristen versuchen sich und den ganzen Dom auf ein Bild zu bekommen. Immer wieder lässt sich auf seinem mit Falten durchzogenen Gesicht ein breites Grinsen erkennen, wenn er von solchen Situationen erzählt. Er fasst sich in sein grau gewelltes Haar und ergänzt dann noch, wie er viele Fotos „zerstört“. „Wenn ich dann sehe wie die Leute vor dem Dom posieren, stell´ ich mich einfach mit auf das Bild und lächle“. Besonders lustig sei es, wenn Leute vor seiner Lok posieren. „Manchmal greife ich dann durch das Fenster und kitzel die Leute am Kopf. Es ist so witzig, wie die sich immer erschrecken.“, erzählt Willi amüsiert. 

Noch nit!“

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Das ist der Arbeitsplatz von Willi. In der Mitte das Audioguide, welches durch die giftgrüne abgenutzte Taste gesteuert wird.

„Noch nit!“ murmelt er und stoppt das Lokradio, gerade sind sie erst am Kölner Dom vorbei gefahren, doch der Audioguide erzählt schon was von der Altstadt. „Das kommt immer wider vor“, erzählt Willi und zitiert die Ansage exakt richtig. Vorbei an vielen Gastronomiebetrieben wird es für den zwölf Meter langen Zug auch schon mal sehr eng. Am schlimmsten ist es, wenn der Markt im Sommer an der Rheinpromenade aufgebaut ist. Dort vorbei in Richtung Zoo zu fahren ist sehr schwer, da es sehr eng und voll werden kann, warnt Willi. Die Zoo Route wird aber nur in der Sommersaison befahren, heute ist also nur die Route zwischen Dom und Schokoladenmuseum dran, das mag der Kölner sehr gerne.

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Der Blick aus der Bahn über den Rhein, vorbei am Schokoladenmuseum

Es aber net schlemm…“

„Bimmelbahnfahrer müssen auf alle aufpassen, Passanten und auch auf die Fahrräder.“ Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h kann es auch besonders auf Hauptstraßen, wie vorm „Schoko-Museum“, in der Bahn schon mal hektisch werden. Am wichtigsten ist es, dass man nicht die Ruhe verliert, erzählt er. Dann würgt man ab, „es aber net schlemm…“ Einen Unfall mit der Bahn hatte Willi noch nie, erzählt er von sich überzeugt, denn Willi weiß, was er für eine große Verantwortung hat.

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Bis zu 12 Meter lang ist seine Bahn.

Hindernisse vorm Kessel

Beim Einbiegen in eine kleine Gassen blinkt Willi ohne Ausnahme immer. Plötzlich schiebt er das Plexiglas Fenster zur Seite hupt und ruft. „Spejel einklappen.“ Nur so kommt Willi an der engen Stelle zwischen Gebäude und Lieferwagen vorbei. Doch schon kurze Zeit später huscht ihm ein Hund vor den Kessel „Geh flot wäch Jung.“ Behutsam tuckert Willi weiter über das Kopfsteinpflaster. „Dat es all Erfahrung!“ Man muss seine Erfahrungen machen und Situationen richtig einschätzen können.

Jeder kennt Willi, immer wieder wird er gegrüßt oder hält in seiner Pause kurze Pläuschen mit seinen Kollegen. „Heut Ovend jit et zwei Kölsch.“ Willi hofft, dass nicht so viele Bayern da sind, „die saufen das Kölsch immer weg, als gäbe es keinen Morgen mehr und nach zehn Kölsch fangen die dann an zu lallen.“

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Am schönsten findet es der stolze vierfache Opa im Severiniertel, da ist Willi aufgewachsen und dort lebt er auch heute noch. Früher war Willi oft in der Türkei am Strand im Urlaub, doch „am schönsten es et immer noch im jode alten Kölle. Wenn ich den Dom aus dem Flieger seh´, weiß ich, ich bin wieder daheim. Da is´ et am schönsten…“