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Balanceakt statt Balance

Neulich nach der Mittagspause: „Bin mal eben für zwei Stunden bei den Kindern, Chef!“ Ein Satz, den nicht viele Arbeitnehmer in Deutschland sagen würden. Familiäres ist bei der Arbeit meist tabu, flexible Arbeitszeiten sind selten.

Immerhin: 54 Prozent der deutschen Arbeitnehmer haben bei einer Umfrage der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) angegeben, dass es einfach sei, ein paar Stunden wegen familiärer Angelegenheiten frei zu nehmen. Die Grafik zeigt jedoch auch: In den Niederlanden ist so etwas selbstverständlich, im EU-Schnitt normaler als in Deutschland.
Freinehmen, um familiäre Angelegenheiten zu erledigen?

Ganz allgemein liegt Deutschland im Vergleich im europäischen Mittelfeld, was die Flexibilität der Arbeitszeiten angeht. Jeder fünfte von Eurofound befragte Deutsche gab 2015 an, zumindest teilweise über die eigenen Arbeitszeiten bestimmen zu können, etwa mittels Gleitzeit. In Bulgarien konnten das nur drei Prozent, in Portugal acht Prozent von sich behaupten. Ganz anders im Norden Europas: In Schweden gaben 41  Prozent der Befragten an, Einfluss auf ihre Arbeitszeiten zu haben. In Dänemark sagten das 40 Prozent, in Finnland 35 Prozent.

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Wer unter starren Bedingungen arbeiten und Kinder großziehen will, stößt schnell an die Grenze des Machbaren: Je unflexibler die Arbeitszeiten in einem der genannten Länder, desto wahrscheinlicher ist es, dass Frauen ihren Beruf ab dem dritten Kind aufgeben. Die Grafik stellt keinen unmittelbarer Zusammenhang her, deutet aber eine Parallele an.
Berufstätigkeit von Frauen nach Kinderzahl in %

Corinna Frodermann, Sozialökonomin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kennt mehrere Gründe, warum Mütter in Ländern wie Dänemark trotz zahlreicher Kinder einem Beruf nachgehen. Einer davon lautet: bessere Betreuung. “Vollzeit-Kinderbetreuung ist in Deutschland noch immer selten und vergleichsweise teuer. Es müsste mehr Kinderbetreuung geben, vor allem für sehr kleine Kinder, die auch Schichtarbeit abdeckt.“

In Deutschland kümmert sich im Zweifel immer noch eher Frau ums Kind. Bei einer Eurostat-Umfrage gab fast jede dritte Frau, die in Teilzeit arbeitet, als Grund für die halbierte Arbeitszeit die Betreuung der eigenen Kinder an. Nur knapp fünf Prozent der Männer arbeiteten aus diesem Grund nicht Vollzeit.
Betreuung Verwandter als Teilzeitgrund in %

Die gesellschaftliche Struktur spielt aus Frodermanns Sicht eine wichtige Rolle: “Die Rolleneinstellung ist in Skandinavien oder Frankreich etwas egalitärer. Anderswo ist die Betreuung noch traditionell und Familienarbeit wird meist von der Frau übernommen.“ Solche Rollenbilder würden sich über die Jahre nur sehr schleppend verändern, sagt sie. In ihrer Forschungsarbeit hat sie herausgefunden: “Je länger eine Frau  ihre Berufstätigkeit unterbricht, desto größer sind die Karriere-Nachteile, die sie später hat. Das betrifft sowohl die Aufstiegschancen als auch das Berufsprestige. Die Frauen, die sich für lange Familienzeiten entscheiden, haben am Ende die beruflichen Nachteile.“

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Dauerbaustelle

Arbeiten und Kinder großziehen – der Spagat kostet Eltern viel Kraft. Möglich ist er nur, wenn der Nachwuchs auch außerhalb der Familie betreut werden kann. Viele Eltern bauen auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung. Rund 3,4 Millionen Kinder werden in Krippe, Kindergarten oder Hort betreut, Tendenz leicht steigend.

Die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist in den vergangenen Jahren zu einem politischen Zankapfel geworden: Mit einer Reform der Elternzeit, des Elterngelds und einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung soll die Vereinbarkeit in Deutschland verbessert werden. Derzeit gehen 30 Prozent aller Kinder im betreuungsfähigen Alter von 0 bis unter 14 Jahren in Tageseinrichtungen.

In den alten Bundesländern werden Kinder allerdings seltener außerhalb der Familie betreut. Im Gegensatz zu Städten wie Potsdam, Dresden oder Frankfurt (Oder), wo etwa 70 Prozent der Kinder zwischen 0 und bis 14 Jahren in Krippe, Kita oder Hort gehen, sind es in Bonn oder Köln weniger als 30 Prozent. Diese Größe wird „Betreuungsquote“ genannt, sie gibt den Anteil der betreuten Kinder an einer Altersgruppe an.

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Die Karte zeigt, dass der Anteil der Kinder, die außerhalb der Familie betreut werden, stark variiert. Es ist ein deutliches Ost-West-Gefälle erkennbar. Das bedeutet allerdings nicht, dass in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen besonders viele Plätze frei wären. Vielmehr stoßen Betreuungseinrichtungen überall an ihre Grenzen.

Seit dem 1. August 2013 haben Eltern für ihre Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz oder die Betreuung durch eine Tagesmutter. Würden dieser Anspruch mehr wahrgenommen werden, würde sich die Situation drastisch verschärfen. Fragt man Eltern, gleicht die Suche nach einem Krippen- oder Kita-Platz schon jetzt einer Odyssee. Eröffnet ein neuer Kindergarten in einer Großstadt, stehen auch mal über 400 Eltern an, um einen Platz zu ergattern.

Erst 2016 hatten drei Leipziger Mütter vor dem Bundesgerichtshof das grundsätzliche Recht auf Verdienstausfall erstritten, wenn die Kommune keine Kitaplätze anbietet und den Eltern dadurch Gehaltseinbußen entstehen. Um Klagen wie der in Leipzig zu entgehen, gibt es für die Kommunen nur eine Lösung: Mehr Tageseinrichtungen bauen, Platz schaffen.

Hinter der Recherche: Die Daten stammen aus der Regionalstatistik der Regionaldatenbank Deutschland (Plätze, Kinder in Betreuung, Zensus). Auch Daten des Statistischen Bundesamts haben wir im Arbeitsprozess verwendet, diese sind aber nicht Teil des Artikels. Die nach Landkreisen sortierten Daten der betreuten Kinder (nach Altersgruppen) und der Kinder insgesamt wurden in Excel mit S-Verweis zusammengeführt und sortiert. Danach wurden die Daten in Carto (Shapefile!) visualisiert.

Neben der Karte oben hatten wir auch berechnet, wie viele Plätze in den einzelnen Landkreisen frei sind oder fehlen und wie viele Kinder auf einen vorhandenen Platz kommen. Dazu bräuchte man die Daten zu vorhandenen Plätzen aufgeschlüsselt nach Form der Tageseinrichtung (Krippe, Kindergarten, Hort). Diese konnten wir bis zum Ende des Seminars leider nicht bekommen. Betrachtet man die Gesamtzahl aller Betreuungsplätze, unabhängig von der Art der Einrichtung, scheinen in manchen Landkreisen mehrere hundert, in Hamburg sogar einige tausend Betreuungsplätze frei zu sein. Das erscheint wenig plausibel. Um das zu verstehen, müsste man nun bei Statistikämtern detailliertere Daten anfragen. Und mit Experten sprechen.

Ganz jung angefangen

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Für immer: Mama

 

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Gemeinsam mit anderen Eltern schwerbehinderter Kinder hat Sabine Doering eine Elterninitiative gegründet. Sie wollen eine Wohngemeinschaft für behinderte junge Menschen einrichten (EIHP). Seit der familienentlastende Dienst im Oberlinhaus Potsdam geschlossen wurde, fehlt vielen pflegenden Eltern die Unterstützung. Jetzt organisieren sie sich gemeinsam.

Vizeeltern

 

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